Sie betreten den Besprechungsraum und setzen sich. Auf dem großen Bildschirm vor Ihnen erscheinen nach und nach die Gesichter Ihrer Kollegen, die nicht vor Ort sind, sondern von verschiedensten Orten zugeschaltet sind. Willkommen in der Realität hybrider Meetings, einer Arbeitsweise, die durch die Corona-Pandemie stark an Bedeutung gewonnen hat. Doch wie gut sind unsere Besprechungsräume wirklich für diese neue Form der Zusammenarbeit und hybride Meetings gerüstet?
Eine interne Abfrage in mehreren Office 21 Partnerunternehmen hat uns interessante Einblicke geliefert. Mittlerweile haben viele Firmen in moderne Videokonferenzanlagen, größere Bildschirme und verbesserte Audio- und Kameratechnologien investiert. Flexible Möbelsysteme ermöglichen es, Räume schnell an unterschiedliche Bedürfnisse anzupassen. Aber: Trotz dieser Fortschritte bleibt die Herausforderung bestehen, technische und organisatorische Hürden zu überwinden.
Die Umfrageergebnisse zeigen nämlich auch, dass technische Verbesserungen wie die Integration von Software und Hardware sowie die Verbesserung der Usability noch ausstehen. Gleichzeitig müssen organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um eine klare Kommunikation und effektive Moderation sicherzustellen. Diese Herausforderungen sind entscheidend, um hybride Meetings wirklich effizient zu gestalten.
Hybride Meetings haben vieles ermöglicht und wir haben gelernt, effizienter zu werden, aber für die wirklich großen Fortschritte sind noch einige Hindernisse zu überwinden
So das Fazit meiner Präsentation zu den vorgestellten Ergebnissen. Denn trotz aller bisherigen Fortschritte und Anpassungen bleibt noch viel zu tun, um die Potenziale hybrider Meetings voll auszuschöpfen. Wie uns neuere Studien nämlich zeigen, sind die wahren Fallstricke an anderer Stelle zu finden.
Herausforderungen der Meeting Fatigue bei hybriden Meetings
Meeting Fatigue, oder auch Zoom-Fatigue, beschreibt das Phänomen der mentalen Erschöpfung durch häufige und lange Online-Meetings. Eine weit verbreitete Annahme ist, dass Meeting Fatigue hauptsächlich durch die hohe Anzahl und die lange Dauer dieser Meetings verursacht wird. Doch eine Studie von Shockley et al. (2021) zeigt ein differenziertes Bild und deutet darauf hin, dass die tatsächlichen Ursachen tiefer liegen und vielfach mit der Nutzung der Kamera zusammenhängen.
Die Studie ergab, dass eingeschaltete Kameras während virtueller Meetings die empfundene Müdigkeit signifikant erhöhen. Teilnehmer, die aufgefordert wurden, ihre Kameras zu nutzen, berichteten von einer merklich höheren Erschöpfung im Vergleich zu denen, die ihre Kameras ausgeschaltet lassen durften. Interessanterweise zeigte sich, dass weder die Anzahl der Meetings noch deren Dauer einen vergleichbaren Einfluss auf die Müdigkeit hatten. Stattdessen spielen Faktoren wie die erforderliche Selbstdarstellung und die ständige Selbstbeobachtung eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Meeting Fatigue.
Weitere Erkenntnisse der Studie beleuchten die moderierenden Einflüsse von Geschlecht und Organisationszugehörigkeit. Frauen zeigten eine stärkere Müdigkeitsreaktion auf die Kameranutzung als Männer, was auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung und im Umgang mit virtueller Selbstdarstellung hindeutet. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Dauer der Betriebszugehörigkeit ebenfalls eine Rolle spielt: Mitarbeitende, die länger in der Organisation tätig waren, reagierten weniger stark auf die Belastung durch die Kameranutzung als ihre neueren Kollegen. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass Meeting Fatigue ein komplexes Phänomen ist, das von mehreren Faktoren beeinflusst wird und weit über die bloße Anzahl und Dauer der Meetings hinausgeht.
Nonverbal Overload in hybriden Meetings
Ein zentrales Problem bei virtuellen Meetings ist das Phänomen des Nonverbal Overload. Dieses beschreibt die Überlastung durch nonverbale Signale, die in einer Face-to-Face-Interaktion natürlicherweise vorkommen, aber in virtuellen Umgebungen zu Stress und Ermüdung führen können. Nonverbal Overload manifestiert sich in vier Hauptbereichen: Blicke aus nächster Nähe, kognitive Belastung, ständige Selbstbeobachtung und eingeschränkte körperliche Mobilität. Diese Aspekte tragen maßgeblich zur Meeting Fatigue bei und bedürfen einer genaueren Betrachtung.
Blicke aus nächster Nähe
Im physischen Raum ist es unüblich, dass wir uns in intensiver Nähe zu anderen Personen befinden und ihnen dabei konstant in die Augen schauen. In virtuellen Meetings hingegen zwingen uns die Bildschirme zu Verhaltensweisen, die normalerweise engen Beziehungen vorbehalten sind. Diese dauerhafte Betrachtung der Gesichter anderer Teilnehmer in Großaufnahme kann Stress und Unbehagen auslösen. Edward T. Hall beschrieb in seiner Studie die sogenannten Distanzkreise, die zeigen, wie Menschen unterschiedliche Abstände für verschiedene Arten von sozialen Interaktionen bevorzugen. Die intime Distanz von weniger als 60 cm ist in der Regel engen Beziehungen vorbehalten. In virtuellen Meetings wird dieser persönliche Raum ständig verletzt, da die Gesichter der anderen Teilnehmer oft viel näher erscheinen als bei physischen Treffen. Dies kann zu einem erheblichen Unbehagen führen und den Stresspegel erhöhen, da unser Gehirn diese Nähe als invasiv wahrnimmt und die natürliche Abwehrreaktion aktiviert.
Selbst in der Kachel-Darstellung sind die Gesichter im direkten Sichtfeld oft größer als von Angesicht zu Angesicht, wenn man berücksichtigt, wie sich Gruppen in physischen Räumen verteilen (Wichtig: Die Kacheln sind nicht auf jeder Seite der Teilnehmenden gleich!)
In typischen hybriden Meetings sieht jeder Teilnehmer, unabhängig davon, wer gerade spricht, den entfernten Teilnehmenden für die Dauer des Meetings direkt in die Augen (vorausgesetzt, man schaut auf den Bildschirm). Im Vergleich dazu kommt es in realen Besprechungen mit mehreren Sprechern eher selten vor, dass ein Zuhörer einen anderen Zuhörer anschaut, und noch seltener, dass der Blick für die Dauer der Besprechung auf die nicht sprechenden Teilnehmenden gerichtet ist.
Kognitive Belastung
Die kognitive Belastung in hybriden Meetings ist deutlich höher als bei Face-to-Face-Interaktionen. Nonverbale Gesten, die normalerweise automatisch und mühelos erfolgen, erfordern in virtuellen Umgebungen mehr bewusste Anstrengung. Albert Kendon zeigte in seinen Studien, dass unsere nonverbalen Verhaltensweisen in synchronen Interaktionen zwar mühelos erscheinen, jedoch äußerst komplex sind. In virtuellen Meetings müssen Teilnehmer bewusst darüber nachdenken, wie sie nonverbale Signale senden und die Gesten der anderen interpretieren. In virtuellen Meetings erhalten wir ständig nonverbale Hinweise, die Face-to-Face eine bestimmte Bedeutung hätten, aber online etwas anderes bedeuten. So verglichen Croes et al., Face-to-Face-Interaktionen mit Video-basierter Kommunikation, um zu untersuchen, wie nonverbale Gesten genutzt werden, um die soziale Bindung zu unterstützen. Sie konnten zeigen, dass wir in virtuellen Meetings mehr lächeln und ca. 15% lauter sprechen.
All dies führt zu einer zusätzlichen kognitiven Anstrengung. Pamela Hinds verglich Audio- mit videounterstützter Kommunikation und fand heraus, dass die Leistung bei Videokonferenzen schlechter war, was sie auf die zusätzliche kognitive Belastung zurückführte. Diese erhöhte Anstrengung reduziert die Effektivität und das Engagement in Meetings und trägt signifikant zur Ermüdung bei.
Ständige Selbstbeobachtung in hybriden Meetings
Ein weiterer Faktor des Nonverbal Overload ist die ständige Selbstbeobachtung. In virtuellen Meetings sehen sich Teilnehmer ständig selbst auf dem Bildschirm. Diese Selbstkonfrontation kann zu erhöhter Selbstkritik und Ablenkung führen, da man sich kontinuierlich seiner eigenen Darstellung und Wirkung bewusst ist. Studien von Duval und Wicklund (1972) zur Selbstbewusstseinstheorie sowie Gonzales und Hancock (2011) zeigten, dass die kontinuierliche Selbstbeobachtung zu erhöhtem Stress und negativen Emotionen führen kann. Die ständige Betrachtung des eigenen Spiegelbildes verstärkt die Selbstwahrnehmung und kann zu einer mentalen Erschöpfung führen, da die Teilnehmer nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihr eigenes Erscheinungsbild konstant überwachen müssen.
Eingeschränkte körperliche Mobilität
Virtuelle Meetings schränken die natürliche körperliche Bewegung stark ein. Das eingeschränkte Sichtfeld einer Kamera entspricht grob einem Kegelstumpf (Frustum = In der Computergrafik die mathematische Abbildung eines 3D-Universums auf den Bildschirm). Im Gegensatz zu physischen Besprechungen, bei denen Teilnehmer aufstehen, sich bewegen und interagieren können, müssen sie in virtuellen Meetings innerhalb des Sichtfelds der Kamera bleiben (innerhalb des Kegelstumpfes).
Diese eingeschränkte Mobilität führt gerade in hybriden Meetings nicht nur zu physischer Unbehaglichkeit, sondern auch zu einer Verringerung der kreativen und kognitiven Leistungsfähigkeit. Studien von Goldin-Meadow (2010) und Oppezzo und Schwartz (2014) haben gezeigt, dass Bewegung die kognitive Leistung und kreative Denkprozesse fördert. In physischen Meetings stehen Teilnehmer eher auf, um beispielsweise Notizen zu machen oder sich mit einem Kollegen auszutauschen, was die kreative Energie fördert. Diese natürlichen Bewegungen sind in virtuellen Meetings stark eingeschränkt, was zu einer erhöhten mentalen Ermüdung und einer geringeren Innovationsfähigkeit führt.
Insgesamt zeigt sich, dass nonverbaler Overload ein wesentlicher Faktor für die Entstehung von Meeting Fatigue in virtuellen Umgebungen ist. Ein tieferes Verständnis dieser Aspekte kann helfen, Strategien zu entwickeln, um die negativen Auswirkungen zu minimieren und die Effizienz und das Wohlbefinden in hybriden Meetings zu verbessern.
Quellen
Bailenson, J. N. (2021). Nonverbal overload: A theoretical argument for the causes of Zoom fatigue. Technology, Mind, and Behavior, 2(1), 1-7.
Croes, E. A., Antheunis, M. L., Schouten, A. P., & Krahmer, E. J. (2019). Social attraction in video-mediated communication: The role of nonverbal affiliative behavior. Journal of Social and Personal Relationships, 36(4), 1210-1232.
Duval, S., & Wicklund, R. A. (1972). A theory of objective self-awareness. New York: Academic Press.
Gonzales, A. L., & Hancock, J. T. (2011). Mirror, mirror on my Facebook wall: Effects of exposure to Facebook on self-esteem. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 14(1-2), 79-83.
Goldin-Meadow, S. (2010). Hands in the air. Scientific American Mind, 21(4), 48-55.
Hall, E. T. (1966). The hidden dimension. Garden City, NY: Doubleday.
Hinds, P. J. (1999). The cognitive and interpersonal costs of video. Media Psychology, 1(4), 283-311.
Kendon, A. (1970). Movement coordination in social interaction: Some examples described. Acta Psychologica, 32, 101-125.
Kock, N. (2005). Media richness or media naturalness? The evolution of our biological communication apparatus and its influence on our behavior toward e-communication tools. IEEE Transactions on Professional Communication, 48(2), 117-130.
Oppezzo, M., & Schwartz, D. L. (2014). Give your ideas some legs: The positive effect of walking on creative thinking. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 40(4), 1142-1152.
Shockley, K. M., Gabriel, A. S., Robertson, D., Rosen, C. C., Chawla, N., Ganster, M. L., & Ezerins, M. E. (2021). The fatiguing effects of camera use in virtual meetings: A within-person field experiment. Journal of Applied Psychology, 106(8), 1137–1155.
Riedl, R. (2022). On the stress potential of videoconferencing: Definition and root causes of Zoom fatigue. Electronic Markets, 32, 153–177.
Für mich ist eines der größten Herausforderungen beim hybriden Arbeiten die Isolation. Man verbringt viel Zeit allein, abgeschottet in einem Raum, und das lässt den so wichtigen sozialen Aspekt der Arbeit oft vermissen. Meetings sind für mich kleine Highlights, denn sie ermöglichen es uns, uns zu verbinden und auszutauschen. Trotz meiner Effizienz im hybriden Modell, merke ich, wie wichtig es ist, meine Kollegen auch persönlich zu treffen. Ein einschlägiges Beispiel dafür war meine Erfahrung während der Beantragung meiner Elternzeit: Ich habe meinen Chef nie persönlich sehen können. Meine E-Mails blieben unbeantwortet, und nach Online-Meetings hat er den Raum immer sofort verlassen. Diese Situation fühlte sich sehr entfremdend an, und ich musste schließlich rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um Unterstützung zu erhalten.