Stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitsplatz wäre nicht nur funktional, sondern auch eine Oase des Wohlbefindens. Unser Wohlbefinden hängt auch davon ab, inwiefern wir mit der Natur in Berührung kommen. In Büroumgebungen ist das häufig nicht der Fall. Allerdings haben verschiedene Studien bereits zeigen können, dass auch ein virtuelles Naturerlebnis unser Wohlbefinden steigern kann. Und Dank der Fortschritte in der virtuellen Realität ist es keine ferne Zukunftsvision mehr, dass moderne Büros schon bald durch digitale Natur erheblich zur Steigerung des Wohlbefindens beitragen können.
Der Einsatz von virtuellen Fenstern, die einen lebendigen Park oder einen Gebirgsbach zeigen, ist ein Beispiel dafür, wie Technologie und Natur zusammenkommen, um eine inspirierende Arbeitsumgebung zu schaffen. Und laut unserer Studie »Cognitive Environments« würden sich viele Menschen am Arbeitsplatz dafür begeistern können. Was aber definiert Wohlbefinden, welchen Einfluss hat das Erleben von Natur auf uns und was sagt die Forschung zur virtuellen Natur?
Unterschiedliche Konzepte des Wohlbefindens
In Diskussionen rund um Arbeitszufriedenheit wird häufig der Begriff »Wohlbefinden« verwendet. Dabei bleibt jedoch oft unklar, was genau unter Wohlbefinden verstanden wird. Es gibt verschiedene Konzepte des Wohlbefindens, die jeweils unterschiedliche Aspekte menschlicher Erfahrungen und Lebensqualität beleuchten. Naturerlebnisse haben ebenfalls signifikante Effekte auf das Wohlbefinden, so dass sie bei der Konzeption moderner Arbeitsumgebungen eine wichtige Rolle spielen können.
Hedonisches Wohlbefinden (Hedonic Wellbeing)
Hedonisches Wohlbefinden bezieht sich auf das Streben nach Lust und die Vermeidung von Schmerz. Dieses Konzept basiert auf der hedonistischen Tradition der Philosophie und betont die Bedeutung positiver Emotionen und Zufriedenheit im Leben. Hedonisches Wohlbefinden wird häufig durch das Erleben von Vergnügen, Glück und die Befriedigung unmittelbarer Bedürfnisse und Wünsche charakterisiert. Nach Kahneman et al. (1999) umfasst es sowohl positive Emotionen als auch die Abwesenheit negativer Emotionen und wird oft als subjektives Wohlbefinden (SWB) bezeichnet, das sowohl kognitive als auch affektive Komponenten umfasst.
Naturerlebnisse können hedonisches Wohlbefinden fördern, indem sie Stress reduzieren und positive Emotionen steigern. Der Aufenthalt in der Natur kann sofortige positive Effekte auf die Stimmung haben, wie z.B. Freude und Entspannung. Haben wir uns bei der Arbeit mal wieder geärgert, kann ein kurzer Ausflug in die Natur helfen Stress abzubauen (Diener et al., 2009; Henderson et al, 2013; Kahnemann et al., 1999).
Kognitives Wohlbefinden – Cognitive Wellbeing
Kognitives Wohlbefinden umfasst die geistige Gesundheit und kognitive Funktionen eines Individuums. Dies beinhaltet die Fähigkeit, klar zu denken, sich zu konzentrieren, Entscheidungen zu treffen und sich an neue Informationen und Herausforderungen anzupassen. Kognitives Wohlbefinden wird auch durch das Gefühl geistiger Stimulation und intellektueller Erfüllung geprägt, sei es durch berufliche Tätigkeiten, Bildung oder kreative Aktivitäten.
Kognitives Wohlbefinden wird durch Naturerlebnisse gestärkt, da sie die Konzentrationsfähigkeit, das Gedächtnis und die kognitive Flexibilität verbessern können. Dies wird durch die »Attention Restoration Theory« erklärt, die besagt, dass natürliche Umgebungen helfen, mentale Ermüdung zu verringern und die kognitive Leistung zu verbessern (Abott et al., 2015; Mandolesi, 2018; Stevenson et. al, 2018).
Eudamonisches Wohlbefinden – Eudaimonic Wellbeing
Diese Form des Wohlbefindens basiert auf der Idee, dass wahres Wohlbefinden durch Selbstverwirklichung und das Erreichen eines sinnvollen Lebens entsteht. Dieses Konzept geht auf Aristoteles zurück und betont Aspekte wie persönliche Entwicklung (thriving), Verbundenheit (connectedness), Lebenssinn (meaning) und Autonomie (autonomy).
- Persönliche Entwicklung (Thriving): Eudaimonisches Wohlbefinden umfasst das kontinuierliche Streben nach persönlichem Wachstum und das Erreichen des eigenen Potentials. Dies bedeutet, dass man ständig an sich arbeitet, um besser zu werden und neue Fähigkeiten zu entwickeln.
- Verbundenheit (Connectedness): Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die soziale Verbundenheit. Eudaimonisches Wohlbefinden betont die Bedeutung von tiefen, bedeutungsvollen Beziehungen und das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Positive soziale Beziehungen tragen wesentlich zur Zufriedenheit und dem Gefühl der Unterstützung bei.
- Lebenssinn (Meaning): Ein sinnvolles Leben zu führen ist zentral für das eudaimonische Wohlbefinden. Dies beinhaltet, dass man das Gefühl hat, dass das eigene Leben und Handeln Bedeutung haben und dass man zu etwas Größerem beiträgt. Menschen, die einen starken Lebenssinn empfinden, berichten oft von höherer Zufriedenheit und Erfüllung.
- Autonomie (Autonomy): Autonomie bezieht sich auf das Gefühl der Selbstbestimmung und Kontrolle über das eigene Leben. Es ist wichtig, dass man Entscheidungen treffen und sein Leben nach eigenen Werten und Überzeugungen gestalten kann. Autonomie fördert das Gefühl der Freiheit und Unabhängigkeit, was zu höherem Wohlbefinden beiträgt.
Das eudaimonische Wohlbefinden wird durch Naturerlebnisse unterstützt, indem es persönliche Entwicklung (Thriving), soziale Verbundenheit (Connectedness), Lebenssinn (Meaning) und Autonomie (Autonomy) fördern. Tätigkeiten wie Gartenarbeit oder die Teilnahme an Naturschutzprojekten bieten Gelegenheiten zur Selbstverwirklichung und zum Beitrag zur Gemeinschaft (Vittersø, 2016; Ryffet al. 2021).
Körperliches Wohlbefinden – Physical Wellbeing
Physisches Wohlbefinden bezieht sich auf die körperliche Gesundheit und das allgemeine körperliche Wohlbefinden. Dazu gehören Faktoren wie regelmäßige körperliche Aktivität, ausgewogene Ernährung, ausreichender Schlaf und die Fähigkeit, Krankheiten zu vermeiden oder mit ihnen umzugehen. Körperliches Wohlbefinden ist ein wesentlicher Bestandteil der Lebensqualität, da körperliche Gesundheit häufig die Grundlage für andere Formen des Wohlbefindens bildet.
Naturerlebnisse fördern hier das physische Wohlbefinden durch körperliche Aktivitäten wie Wandern, Laufen oder Radfahren. Solche Aktivitäten verbessern die Herz-Kreislauf-Gesundheit, stärken das Immunsystem und senken den Blutdruck (Capio et al., 2014; Thatcher, Millner, 2014).
Virtuelle Natur und ein modernes Arbeitsumfeld im Metaverse
Nicht nur reale, sondern auch virtuelle Naturerfahrungen können sich positiv auf das Wohlbefinden auswirken. Studien haben gezeigt, dass virtuelle Naturerlebnisse, wie zum Beispiel Videos von Naturlandschaften oder virtuelle Spaziergänge, Stress reduzieren und positive Emotionen steigern können. Personen, denen mit Hilfe einer VR-Brille eine Waldumgebung gezeigt wird, fühlen sich besser und leistungsfähiger als Personen, denen eine virtuelle Stadtumgebung gezeigt wird.
Diese Erkenntnisse können für die Gestaltung moderner Arbeitsumgebungen genutzt werden. Durch die Integration von virtuellen Naturerlebnissen wie Bildschirmschonern mit Naturmotiven oder virtuellen Fenstern, die Naturvideos abspielen, können Arbeitgeber das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter fördern. In den nächsten Jahren werden wir noch weiter gehen, wenn wir das Potenzial des Metaverse nutzen. Das Konzept des Metaverse, einer virtuellen Welt, die über das Internet zugänglich ist, bietet weitere Möglichkeiten, solche Erlebnisse in den Arbeitsalltag zu integrieren.
Das Metaverse ermöglicht immersive Erlebnisse, bei denen die Nutzer virtuelle natürliche Umgebungen erkunden und interaktive Elemente nutzen können, um ihr Wohlbefinden zu steigern (Aust, 2024; Mostajeran et al, 2021, Newman et al., 2022, Strunck, 2024).
Quellen
- Aust, M. (2024): Metaworth oder Metaworse? Kollaboration und Innovation im Metaverse – das Projekt INSTANCE, online verfügbar unter: https://blog.iao.fraunhofer.de/metaworth-oder-metaworse-kollaboration-und-innovation-im-metaverse-das-projekt-instance/
- Abbott, L., Newman, P., & Benfield, J. (2015). The influence of natural sounds on attention restoration
- Capio, C., Sit, C., Abernethy, B. (2014). Physical Well-Being.
- Diener, E. D., Scollon, C. N. & Lucas, R. E. (2009). The evolving concept of subjective well-being: The multifaceted nature of happiness.
- Henderson, Luke Wayne, Tess Knight, and Ben Richardson (2013): An Exploration of the Well-Being benefits of Hedonic and Eudaimonic Behaviour.
- Kahneman, D., Diener, E., & Schwarz, N. (1999). Well-Being: The Foundations of Hedonic Psychology.
- Mandolesi L, Polverino A, Montuori S, Foti F, Ferraioli G, Sorrentino P and Sorrentino G (2018) Effects of Physical Exercise on Cognitive Functioning and Wellbeing: Biological and Psychological Benefits.
- Mostajeran, F., Krzikawski, J., Steinicke, F. (2021). Effects of exposure to immersive videos and photo slideshows of forest and urban environments.
- M. Newman, B. Gatersleben, K.J. Wyles, E. Ratcliffe: The use of virtual reality in environment experiences and the importance of realism.
- Ryff, C. D., Boylan, J. N. & Kirsch, J. A. (2021). Eudaimonic and hedonic well-being. An integrative perspective with linkages to sociodemographic factors and health.
- Stevenson, M. P., Schilhab, T., & Bentsen, P. (2018). Attention Restoration Theory II: a systematic review to clarify attention processes affected by exposure to natural environments.
- Strunck, S. (2024): (T)Räume in VR: Wie die Raumgestaltung die Zusammenarbeit stärkt. Kollaboration und Innovation im Metaverse, online verfügbar unter: https://blog.iao.fraunhofer.de/traeume-in-vr-wie-die-raumgestaltung-die-zusammenarbeit-staerkt-kollaboration-und-innovation-im-metaverse/
- Thatcher, Andrew, and Karen Milner (2014): Changes in productivity, psychological wellbeing and physical wellbeing from working in a green’ building.
- Vittersø, J. (2016). Handbook of eudaimonic Well-Being.